Wie lange?

Am einfachsten erreichst du deine Ziele, indem du täglich daran arbeitest. Und am einfachsten ist dies, wenn du dir dies zur Gewohnheit machst:

  • Jeden Tag ein wenig schreiben, dann wird dein Buch bald fertig sein
  • Jeden Tag ein bisschen laufen, dann schaffst du auch einen Marathon
  • Für jeden Tag dankbar sein, dann bist du bald sehr viel zufriedener
  • Jeden Tag lächeln, dann gewinnst du gute Freunde

Doch wie lange dauert es, bis eine Handlung zur Routine, zur Gewohnheit wird?

Der 21-Tage-Mythos

Oft hört man, dass es 21 bis 30 Tage dauert, eine neue Gewohnheit zu verankern. Diese Zahl wird unter anderem von Tony Robbins genannt, der sie wohl von Bryan Tracy hat, der sich wiederum auf Zig Ziglar beruft. Und die ursprüngliche Quelle für diese Zahl ist wahrscheinlich der Bestseller Psycho-Cybernetics des plastischen Chirurgen Maxwell Maltz, den er 1960 veröffentlichte und über 30 Millionen Mal verkaufte.

Dort berichtet er unter anderem von Beobachtungen, die er an seinen Patienten gemacht hat. Wenn er zum Beispiel eine schiefe Nase begradigt hat, dauerte es ungefähr 21 Tage, bis sich der Patient an sein neues Gesicht gewöhnt hat. Auch nach einer Amputation spürten seine Patienten etwa 21 Tage lang ein Phantom-Gliedmaß, bis sie sich an die veränderte Situation angepasst hatten.

Aufgrund dieser Erfahrungen dachte Maxwell Maltz über seine eigenen Verhaltensänderungen nach und bemerkte:

Diese  und andere allgemein beobachtete Erscheinungen scheinen zu zeigen, dass es mindestens 21 Tage dauert, bis sich ein altes mentales Bild aufgelöst hat und ein neues Gestalt annimmt.
- Maxwell Maltz

Dieser Satz wurde in der Folge immer und immer wieder zitiert - und offensichtlich wurde irgendwann einmal das Wörtchen mindestens fallen gelassen und die Beobachtung wurde verkürzt zu

Es dauert 21 Tage, um eine neue Gewohnheit zu formen.

Dieser Mythos von 21 Tagen - manchmal auch 30 Tagen - konnte sich leicht verbreiten. Denn diese magische Zeitspanne ist kurz genug, um Menschen zu inspirieren, die etwas in ihrem Leben ändern wollen. Auf der anderen Seite ist sie lang genug, um plausibel zu erscheinen.

Doch stimmt dieser Mythos?

Maltz hat nur von Beobachtungen erzählt, die er persönlich und in seinem näheren Umkreis gemacht hat. Und er hat sicher keine statistischen Auswertungen von klinischen Experimenten gemacht und er war vorsichtig genug zu sagen, dass es so scheint als ob es mindestens 21 Tage dauert, eine neue Gewohnheit zu entwickeln.

Wie lange dauert es wirklich?

Doch wie lange dauert es wirklich? Wie lange dauert es, eine neue Gewohnheit zu verankern? Und wie lange dauert es, eine schlechte Gewohnheit loszuwerden?

Phillippa Lally und ihr Team vom University College of London haben dies untersucht und die Ergebnisse im European Journal of Social Psychology veröffentlicht.

Die Studie beobachtete 96 Personen über einen Zeitraum von 12 Wochen. Jede Person suchte sich eine neue Verhaltensweise aus, die sie im Verlauf der nächsten 12 Wochen zu einer Gewohnheit machen wollte. Während dieses Zeitraums berichteten sie jeden Tag, ob Sie die Tätigkeit ausführten oder nicht, und wie automatisiert sich dieses neue Verhalten für sie anfühlte.

Manche Menschen wählten eine einfache Verhaltensweise aus, beispielsweise eine kleine Flasche Wasser zum Mittagessen zu trinken. Andere wählten Tätigkeiten, die sie mehr herausforderten, wie zum Beispiel vor dem Abendessen 15 Minuten zu joggen.

Nach den 12 Wochen analysierten die Forscher die Daten um herauszufinden, wie lange eine Person benötigt, um ein neues Verhalten automatisiert ablaufen zu lassen. Das Ergebnis:

Im Durchschnitt dauert es mehr als zwei Monate, bevor eine neue Verhaltensweise automatisch abläuft. 66 Tage, um genau zu sein.

Und wie lange es tatsächlich dauert, eine neue Gewohnheit zu formen, variiert beträchtlich und hängt sehr stark von der Gewohnheit, der Person und den Umständen ab. In Lallys Studie benötigten die Teilnehmer zwischen 18 und bis zu  254 Tagen, um eine neue Gewohnheit zu entwickeln.

Was bedeutet dies für dich?

Auf den ersten Blick mag sich das für dich vielleicht frustrierend anhören. Zwei Monate und manchmal sogar mehr als acht Monate, um eine neue Gewohnheit zu entwickeln? Doch wenn du genauer nachdenkst, dann ist das vielleicht doch eine gute Nachricht.

Erstens: Es ist nicht einfach, eine neue Gewohnheit zu entwickeln. Und es kann sehr, sehr lange dauern. Es liegt nicht also nicht an dir, wenn es nicht im ersten oder zweiten Anlauf klappt. Aber das weißt du jetzt zum Glück und kannst deine Erwartungen an dich und deinen Erfolg entsprechend ausrichten. Du weißt, dass du einen langen Atem brauchst.

Zweitens: Du musst nicht perfekt sein. Denn in der Studie stellten die Wissenschaftler auch fest, dass es nichts ausmacht, die neue Tätigkeit einmal ein oder zwei Tage nicht auszuführen. Du kannst auch dann eine neue Gewohnheit erfolgreich aufbauen, wenn du mal aus dem Tritt kommst. Wegen ein oder zwei versäumter Tage in deiner Routine brauchst du nicht gleich das Handtuch zu werfen.

Drittens: Du kannst dich von vorneherein darauf konzentrieren, dir den langen Weg bis zur neuen Gewohnheit so angenehm wie möglich zu machen. Es geht nicht darum, verbissen ein Ziel zu erreichen, sondern darum, dich auf die tägliche Routine zu konzentrieren und dich daran zu erfreuen.

  • Genieße  die halbe Stunde, in der du in die Welt deines Buches abtauchst und sie Wort für Wort, Satz für Satz selbst erschaffst.
  • Gönne dir die kleine Auszeit beim Laufen, spüre deinen Atem, die klare Luft, den Wind in deinen Haaren, den Kies unter deinen Sohlen.
  • Spüre die Dankbarkeit für all das, was du hast, vielfach ohne dass du dafür irgendeine Gegenleistung erbringen musst
  • Freue dich über jedes Lächeln, das dir geschenkt wird und schenke es hundertfach zurück

Im Endeffekt ist es also überhaupt nicht wichtig, ob es 30 Tage oder 300 Tage dauert, eine neue Gewohnheit zu entwickeln. Du musst die Arbeit so oder so tun.

Und die einzige Möglichkeit bis zum Tag 300 zu kommen, besteht darin, mit dem Tag 1 anzufangen. Vergiss also am besten die Zahlen, fang an, und konzentriere dich auf den Moment.


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