Nein
Nein ist wahrscheinlich das wichtigste Wort in unserer Sprache. Doch für mich und für viele Menschen die ich kenne ist es sehr schwer, Nein zu sagen.
Dies sind die fünf wichtigsten Wörter unserer Sprache: Nein, Bitte, Danke, Verzeihung und Ja. In diesem und in den nächsten vier Beiträgen geht es jeweils um eines dieser fünf Wörter.
Beginnen will ich mit dem Wichtigsten dieser fünf Wörter, dem Nein. Für mich und für viele Menschen die ich kenne ist es sehr schwer, Nein zu sagen. Nein zu Versuchungen, die meinen Weg kreuzen, Nein zu Bitten, die an mich herangetragen werden, Nein zu Forderungen, die die Gesellschaft an mich stellt.
Es gibt mindestens drei gute Gründe, dieses Wort viel öfter zu verwenden:
- Ein Nein befreit
- Ein Nein verschafft Zeit zum Nachdenken
- Ein Nein ermöglicht, Ja zu wirklich wichtigen Dingen zu sagen
Ein Nein befreit
Wenn du es schaffst, Nein zu einer Bitte oder Forderung zu sagen, dann hast du ein Stück deiner Freiheit verteidigt und dich davor geschützt, noch eine weitere Last auf deine Schultern zu laden.
Auch dein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden und deine materiellen Mittel sind beschränkt. Du kannst nicht jedes Ehrenamt übernehmen, das an dich herangetragen wird. Du kannst auch nicht für jeden guten Zweck spenden. Du kannst auf keinen Fall alle Anfragen deiner Kunden oder Forderungen deiner Vorgesetzten erfüllen. Und du kannst auch nicht alle Unterhaltungs- und Vergnügungsangebote nutzen, aus denen du so zahlreich auswählen kannst.
Je mehr du Nein sagst, desto freier kannst du über deine Zeit und deine Mittel verfügen. Ein Nein gibt dir die Möglichkeit, etwas ganz anderes zu tun - oder auch einfach zu lassen.
Ein Nein verschafft Zeit zum Nachdenken
Wenn du Nein sagst, dann verschafft dir das Zeit. Zeit, die du zum Nachdenken nutzen kannst.
- Du kannst darüber nachdenken, was dir wirklich wichtig ist
- Du kannst dir klar machen, wozu du Nein sagen müsstest, wenn du jetzt Ja gesagt hättest
- Du kannst darüber nachdenken, was du mit der gewonnenen Zeit und Energie lieber anfangen möchtest
Jedes Nein verschafft dir Zeit und Gelegenheit zum Nachdenken. Nutze diese Zeit. Verwende jeden Tag ein paar Minuten mit der Frage: Was will ich heute tun, weil es mir wirklich wichtig ist?
Ein Nein ermöglicht ein Ja zu Wichtigerem
Wenn du es nicht schaffst, zu den allermeisten Dingen Nein zu sagen, dann hast du keine Zeit, keine Energie und kein Geld mehr dafür, zu den Dingen Ja zu sagen, die dir wirklich wichtig sind.
Jedes Ja beinhaltet ein Nein. Ein Nein zu den Dingen, die du deswegen nicht tun kannst, weil du zu etwas Ja gesagt hast. Und jedes Nein beinhaltet ein Ja. Ein Ja zu den wichtigen Dingen in deinem Leben.
Nein zu sagen ist schwer
Nein zu sagen fällt mir und vielen Menschen die ich kenne, sehr schwer. Es ist mir nicht nur unangenehm eine Bitte abzuschlagen, sondern ich kann an mir sogar körperliche Reaktionen wahrnehmen, wenn ich nur daran denke, Nein zu sagen:
Ich bekomme feuchte Hände, das Blut schießt mir in den Kopf, ich habe einen Kloß im Hals und meine Knie fangen an zu zittern.
Ja, ich habe richtiggehend Angst davor, Nein zu sagen.
Und um dieses Angstgefühl zu vermeiden, sage ich viel zu oft Ja, bevor mir überhaupt klar wird, was ich tue. Und ehe es mir klar wird, habe ich mir wieder eine Bürde aufgeladen und Nein zu Dingen gesagt, die mir doch eigentlich viel wichtiger sind.
Diese Angst war in meiner Kindheit sicherlich begründet. Damals, in den 1960er Jahren, waren Erwachsene nicht gerade zimperlich in der Wahl ihrer Mittel, wenn sie ihren Willen Kindern gegenüber durchsetzen wollten. Allerdings scheint dies heutzutage leider nur unwesentlich besser zu sein.
Fünf Schritte zum Nein
Ich habe leider erst sehr spät in meinem Leben begriffen, dass ich viel zu oft Ja sage, obwohl ich lieber Nein sagen wollte. Es benötigte einen Burn-Out und viel psychologische Unterstützung damit ich Nein sagen lernte. Inzwischen laufen folgende fünf Schritte bei mir ab, wann immer ich mit einer Bitte oder Forderung konfrontiert werde:
- Ich mache mir meine körperlichen Reaktionen bewusst
Ich achte ganz bewusst auf meine körperlichen Reaktionen: Bin ich ruhig und gelassen, fühle ich mich mehr oder weniger unwohl oder stehe ich sogar kurz vor einer Panikattacke? Wie sehr fühle ich mich unter Druck gesetzt? - Ich vergewissere mich, dass ich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr bin
Wenn ich mich sehr unter Druck gesetzt fühle, prüfe ich als Nächstes, ob ich wirklich in unmittelbarer Lebensgefahr bin: Bekomme ich eine Faust vor das Gesicht oder eine Pistole an den Kopf gehalten? Das war bisher sehr selten der Fall und es ist ziemlich klar, dass ich dann mein Geld herausrücken oder meine Beine in die Hand nehmen würde. - Ich atme tief durch und richte mich auf
Wenn ich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr bin, atme ich zwei- oder dreimal tief durch. Dadurch mildern sich meine körperlichen Reaktionen meist deutlich und ich gewinne Zeit zum Nachdenken. Dann richte ich mich auf und fühle mich so gleich größer und stärker und bereit, dem vermeintlichen oder tatsächlichen Druck entgegen zu treten. - Ich denke nach
Was sind die Folgen eines Ja? Wozu muss ich dann Nein sagen, worauf muss ich verzichten? Was sind die Folgen eines Nein? Welche Konsequenzen muss ich tragen, was gewinne ich damit? - Ich formuliere meine Antwort
In den allermeisten Fällen werde ich mit Nein antworten müssen, damit ich weiterhin Ja zu den wichtigen Dingen in meinem Leben sagen kann. Eine Standardformulierung, die ich dann in vielen Fällen verwende ist diese:
"Vielen Dank, dass du mit deiner Bitte zu mir gekommen bist. Das ist wirklich eine wichtige Sache und es ehrt mich, dass du mich dafür in Betracht ziehst. Ich kann deinen Wunsch momentan nicht erfüllen, weil meine Zeit und meine Mittel für meine Gesundheit, meine Familie und meine eigenen Ziele komplett verplant sind."
Falls die andere Person dann versucht Druck aufzubauen oder mir einen Köder anbietet, dann werde ich deutlicher:
"Warum bittest du mich darum, Nein zu meiner Gesundheit, zu meiner Familie und zu meinen eigenen Zielen zu sagen, nur damit ich Ja zu deiner Bitte sagen kann?"
Denke daran: Du hast fast immer die Freiheit, Nein zu einer Bitte oder Forderung zu sagen. Und wenn es nicht etwas ist, das du wirklich tun willst, dann sage auch Nein!